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Empfehlung der Redaktion
Hier stellen wir Ihnen von Zeit zu Zeit CD-Neuerscheinungen vor, die uns besonders gut gefallen haben.
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CONCERTO Nr. 181, S. 30
Carl Philipp Emanuel Bach: Matthäus-Passion H 782, Hamburg 1769 (Ersteinspielung).
Deborah York, Orlanda Velez Isidro (Sopr.), Franziska Gottwald (Alt), Jörg Dürmüller (Tenor), Klaus Mertens, René Steur (Bass), Amsterdam Baroque Orchestra & Choir,
Ltg. Ton Koopman. ORF Edition Alte Musik (316) P 2002 (Vertrieb ORF-Shop Wien, www.shop.orf.at) 2 CDs |
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Bachiana
Die Matthäus-Passion Carl Philipp Emanuel Bachs von 1769 zählt sicherlich zu den besonders bedeutenden Wiederentdeckungen im Notenarchiv der Berliner Singakademie. Deren medienwirksame Rückführung aus Kiew liegt noch keine vier Jahre zurück; welche gewichtigen und welche weniger gewichtigen Quellen das Archiv umfasst, war jedoch auch vorher schon zumindest in Grundrissen zu rekonstruieren, beispielsweise durch Robert Eitners »Quellen-Lexikon der Musiker und Musik-Gelehrten«. Folgerichtig hat diese Matthäus-Passion auch eine Nummer im Werkverzeichnis von Ernest Eugene Helm erhalten und Würdigungen bereits in einigen der frühen Kompendien zur evangelischen Kirchenmusik erfahren: Carl von Winterfeld etwa hat das Werk offenbar recht genau studiert. Der Hinweis in der neuen Auflage der MGG, Bachs lange verschollen geglaubte Hamburger Vokalkompositionen seien der Forschung jetzt wieder zugänglich, entspricht allerdings schon nicht mehr dem aktuellen Stand: Das Archiv wird mittlerweile wieder unter Verschluss gehalten – von den vermeintlich spektakulären Funden wird in näherer Zukunft wohl weder viel zu hören noch viel zu lesen sein. Dass die Musikpraxis diese Matthäus-Passion rechtzeitig entdeckt hat, ist somit gewissermaßen ein Glücksfall. Es nimmt nicht wunder, dass sie nach der erstmaligen Wiederaufführung in Utrecht im vergangenen Jahr (vgl. CONCERTO Nr. 177) in der diesjährigen Passionszeit schon eine gewisse Verbreitung gefunden hat. Denn fraglos handelt es sich um ein exzeptionelles Werk, das in überraschend stimmiger Zusammenstellung einerseits die typische Tonsprache Carl Philipp Emanuels anklingen lässt, andererseits das musikalische Erbe des Vaters nicht verleugnet. Während die mehrheitlich sehr groß angelegten Arien charakteristisch für die empfindsame Kirchenmusik des Sohnes sind, hat er doch bei den Turba-Chören und Chorälen zahlreiche mehr oder weniger wörtliche Anleihen bei der Matthäus-Passion Johann Sebastians gemacht. Doch auch, wo Carl Philipp Emanuel Eigenes schrieb, weht des Vaters musikalischer Geist durch diese Passion: Der elegische Schlusschoral etwa ist deutlich dem älteren Vorbild verpflichtet und auch ebenso anrührend. Dass gleichzeitig eine gewisse Abhängigkeit zu den Passionen seines Hamburger Amtsvorgängers und Taufpaten Georg Philipp Telemann auszumachen ist, sei nur am Rande ergänzend erwähnt. Die sehr gelungene CD-Produktion dieses ebenso interessanten wie attraktiven Werks ist begleitend zu den ersten Aufführungen im vergangenen August entstanden und findet in den Interpreten kompetente und stilkundige Sachwalter. Dies gilt natürlich zunächst für die Solisten: Allen voran Jörg Dürmüller, der mit klarer und ungekünstelter Stimme einen Evangelisten der Sonderklasse vorstellt. Flexibel am Sprachrhythmus entlang deklamierend, verleiht er selbst stereotyp scheinenden Wendungen ein eigenes musikalisches Leben. Klaus Mertens gibt dazu den Jesus-Worten warme Würde. Wo Deborah York und Orlanda Velez Isidro mit Geläufigkeit überzeugen, gefällt Franziska Gottwald mit angenehmer Fülle und sehr bewusst gestaltetem Vibrato. Dass Carl Philipp Emanuel der Alt-Partie keine größere Arie zugedacht hat, könnte unmittelbar den Hamburger Verhältnissen geschuldet sein – bleiben doch auch in Telemanns Hamburger Kompositionen die Altstimmen eher im Hintergrund. Über die stiltreue Besetzung von Orchester und Chor lässt sich bei dieser Matthäus-Passion kaum so lange debattieren wie bei der seines Vaters: Koopmans Amsterdam Baroque Orchestra ist hier mit vierzehn Streichern (5-4-2-2-1) ebenso adäquat besetzt wie der Chor mit 21 Sängern. Bei Koopmans Gesamteinspielung der Kantaten von Vater Bach ist diese Besetzung schon öfters auf Kritik gestoßen, hier indes bedarf sie keiner weiteren Diskussion – zumal die klangliche Balance und die technische Präzision keinerlei Anlass zur Kritik geben. Wenige harte Schnitte zwischen eng benachbarten Sätzen stören die ansonsten auch klangtechnisch sehr gelungene CD nur geringfügig.
Andreas Waczkat
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CD-Tipp
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